Immer öfter sind Situationen kaum oder gar nicht durchschaubar. Es ist also nicht sicher, worum es geht und was zu tun ist. Wenn ich mir mehr Sicherheit verschaffen möchte, dann werde ich einen groben, nachvollziehbaren und für mich plausiblen Überblick erstellen müssen. Also: Im Brainstorming kurz einige Einflussfaktoren aufschreiben. Danach einige passende Zusammenhänge mit einem Pfeil platzieren. Und wenn mir nichts weiter einfällt, dann die Skizze ein wenig ruhen lassen. Danach kann ich mit frischen Gedanken die Visualisierung der Situation verfeinern. Fertig ist der Überblick. Dies referierte ich auf den Systemischen Gesprächen in Stuttgart und bekam dafür heute Abend den Best Paper Award. Herzlichen Dank dafür.
Ein Organismus ist ein System
Aus kybernetischer Sicht ist ein Organismus ein System mit vielen Subsystemen (= Organen). Hauptleitbahnen des Systems (=Organismus) versorgen die Subsysteme (=Organe), deren Zusammenspiel das System erhalten. Die Lebensfähigkeit des Systems (= Organismus) benötigt das freie Fließen von Informationen. Übertragen auf ökonomische Systeme (z. B. Unternehmen) ergibt sich: Zentrale Aufgabe ist die Gestaltung des Informationskreislaufes. Ein allgemeines Referenzmodell für die Beschreibung, Diagnose und Gestaltung von Unternehmen ist das Viable System Model von Stafford Beer mit dem Zusammenspiel von 5 Subsystemen. Um erfolgreich sein zu können, liegt die zentrale Aufgabe des Managements in der Gestaltung des Informationskreislaufes im Gesamtsystem mit einem ungestörten Informationsfluss. Genau wie bei der Gesundheit eines Organismus: eine nachhaltig gesicherte Existenz ist immer abhängig vom guten Zusammenspiel der Organe (funktionale Subsysteme). Dem kybernetischen Denken ist es egal, ob es um die Funktionstüchtigkeit von Menschen oder Unternehmen geht: Es geht schlicht darum, in einer komplexen, sich verändernden Umwelt als System langfristig überlebensfähig zu bleiben.
Apotheken vor dem Aus?
Apotheken sind vielfältig eingebunden in die Umwelt. Darin sind Kunden, Staat, Konkurrenten, Zulieferer und Modewellen aktiv. So wird die Lebensfähigkeit der Vor-Ort-Apotheken zunehmend gefährdet durch die starke Wettbewerbssituation durch den deutschen und ausländischen Versandhandel im Internet, der sich nicht mehr an einheitliche Preise für verschreibungspflichtige Medikamente halten muss. Zudem machen den Apotheken die chronische Unterfinanzierung der Arzneimittel durch die Krankenkassen und die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Survival oft he fittest. Es überlebt derjenige, der sich am besten an die sich ändernden Umfeldbedingungen anpassen kann. Der Apotheker sollte seine individuelle Beratung ausbauen, sich als Experte für Arzneimittel verstehen, seine Patienten in der Arzneimitteltherapie begleiten, sich in der Gesundheitsvorsorge engagieren und neue Versorgungsleistungen anbieten. Dazu braucht es neue Modelle zur Honorierung. Zudem ist ein gutes Marketingkonzept erforderlich. Ruinöse Preise zählen nicht zur Überlebensstrategie. So können viele Apotheken vor dem Aus bewahrt werden.
Das linear-monokausale Denken kommt an seine Grenzen
Viele Führungskräfte handeln so, als gäbe die lineare Fortschreibung der Vergangenheit Aufschlüsse über die Zukunft. Es gibt durchaus Pfadabhängigkeiten, die in die Zukunft weisen; aber es sind mehrere Abhängigkeiten mit Vor- und Rückkoppelungen. So wird die Zukunft eines Handwerksbetriebes nicht nur beeinflusst von der aktuellen Wettbewerbssituation in der Branche oder der Region, sondern zusätzlich noch von der Weiterentwicklung der beeinflussbaren eigenen Leistungspalette und der eigenen Finanzsituation. Vom Betrieb nicht beeinflussbare Einflüsse kommen dann noch von der Globalisierung, der Demographie oder der digitalen Transformation hinzu. Eine Fortschreibung des Bisherigen erlaubt keine Sicht auf die Zukunft. Bislang technisch nicht mögliche datengetriebene Geschäftsmodelle sind nicht mehr auf eine Region begrenzt. Warum sollte also ein Handwerksbetrieb nicht an der Internetpräsenz eines virtuellen Verbundes teilnehmen?
Wirkungsgefüge eines Marktstandes Teil 6
Beim Betreiben eines Wochenmarktstandes gilt es, Maßnahmen zu setzen, die einen positiven Beitrag auf die eigene Wertschöpfung haben. Geeignete Faktoren sind stark in die Erfolgslogik eingebettet, ihre Outputwirkung ist größer als die Inputwirkung, von der sie beeinflusst werden und man kann sie direkt/impulsstark beeinflussen. Um sie durch drei Kennzahlen: Je größer das Produkt von Aktiv- und Passivsumme in der Einflussmatrix, desto stärker ist der Faktor vernetzt. Je größer die Differenz zwischen Aktiv- und Passivsumme in der Einflussmatrix, desto stärker ist der jeweilige Outputüberschuss. Die Lenkbarkeit der Faktoren wird bemessen zwischen direkt/intensiv = 3 und weder direkt noch intensiv = 0; je höher dieser Wert, desto besser die Lenkbarkeit. Vernetzungsgrad, Outputüberschuss und Lenkbarkeit werden jeweils in eine Rangreihe geordnet. Abschließend werden die 3 Rangplätze der Faktoren addiert und eine gemeinsame Rangreihe ermittelt. Die Erfahrung zeigt: Die ersten 5 Ränge sind effektive Hebel für den Erfolg des Betreibens eines Wochenmarktstandes.
Wirkungsgefüge eines Marktstandes Teil 5
Im Rahmen einer Problemlösung werden den Erfolgsfaktoren eines Gesamtzusammenhangs durch die Einflussmatrix (wie in Teil 3 dargelegt) bestimmte Rollen zugeordnet. Anhand der jeweiligen Anzahl der ein- und ausgehenden Beziehungen werden dabei die Variablen graphisch gruppiert (Abb. 4) und Schlüsselrollen mit bestimmten Eigenschaften zugeordnet: Aktive Variablen sind wirksame Schalthebel, reaktive Variablen sind Indikatoren des aktuellen Zustands und kritische Variablen sind Katalysatoren einer Initialzündung. Puffernde Variablen geben Hinweise, ob wirksame Grenzwerte plötzlich über- oder unterschritten werden. Bezüglich des Betreibens eines Wochenmarktstandes ergibt sich: Bezweckt wird eine langfristig gute Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Für die daraus abgeleiteten Ziele gibt es vielfach keine genauen Zahlenwerte. Vielmehr sind Veränderungen in dem wirksamen Gesamtzusammenhang anzustoßen, deren Wirkungen in absehbarer Zeit einen positiven Beitrag auf die eigene Wertschöpfung in einer permanenten Marktentwicklung erwarten lassen. Dafür eignen sich am ehesten aktive Variablen, auf die ein möglichst direkter Einfluss ausgeübt werden kann.
Wirkungsgefüge eines Marktstandes Teil 4
Entscheidend für das Wirken eines Gesamtzusammenhanges sind nicht die einzelnen Komponenten selber, sondern ihr wirksames Zusammenspiel. Um ein Geschehen in eine bestimmte Richtung hin zu verändern, sollte man sich weitaus weniger auf einzelne Komponenten als vielmehr auf ihre jeweilige Einbettung in den Gesamtzusammenhang konzentrieren. Daher hängt der ökonomische Erfolg eines Wochenmarktstandes maßgeblich an dem Zusammenspiel der Erfolgsfaktoren. Diese konkrete Einbettung eines – an sich variablen – Erfolgsfaktors in das prägende Zusammenspiel ist charakterisiert durch die eingehenden und die herausgehenden Beziehungen. Diese Beziehungen können starke oder schwache Impulsstärken aufweisen, aufschaukelnde oder abschwächende Veränderungswirkungen anstoßen sowie kurz-, mittel- oder eher langfristig wirksam sein.
Wirkungsgefüge eines Marktstandes Teil 3
Wie ein Wirkungsgefüge erstellt wird, das die wirksame Komplexität der Führung eines Marktstandes visuell darstellt, habe ich im 1. Teil entfaltet. Ist diese Arbeit getan, beginnt kann die Suche nach den für Eingriffsmaßnahmen besonders eigneten Variablen. Dafür bietet das Vernetzte Denken das Werkzeug der Einflussmatrix. In den einzelnen Zellen dieser Matrix werden die Wirkungsintensitäten der wirksamen Beziehungen zwischen den beiden betroffenen Variablen notiert. Für Eingriffe in das Wirkungsgefüge der Erfolgsfaktoren des Marktstandes eignen sich insbesondere die Variablen, die nur wenig Input von anderen Variablen bekommen und zugleich viel Output an andere Variablen abgeben. Im Vernetzen Denken wird dieser Zuordnung die Rolle aktiv zugeordnet (andere Rollen sind reaktiv, kritisch und puffernd). Hier ist zu erkennen, dass erstens keineswegs „alles mit allem verbunden ist“. Zweitens wird klar, dass die Expertise der Marktfrau eine aktive Variable ist. Veränderungen an dieser Variablen wirken sich im Gefüge überdurchschnittlich stark aus. Die unternehmerische Verantwortung für einen Marktstand ist übertragbar auf die unternehmerische Verantwortung für ein Unternehmen oder für eine Organisationseinheit.
Wirkungsgefüge eines Marktstandes Teil 2
Anschließend werden wirksame Beziehungen zwischen je zwei der formulierten Faktoren (den sogenannten Variablen) erkundet und mit einer Arbeitsdefinition belegt. Die sprachliche Erfassung wird dadurch visualisiert, dass jede Variable auf einem post-it-Kärtchen notiert wird und jede wirksame direkte Beziehung als Pfeil zwischen den beiden Faktoren gezeichnet wird. Es kommen immer mehr Beziehungen dazu und allmählich entsteht ein Wirkungsgefüge der Erfolgsfaktoren eines Marktstandes. Mit dem hier beispielhaft gezeigten Wirkungsgefüge kann die wirksame Komplexität der Führung eines Marktstandes überschaubar dargestellt werden. Wie die darin enthaltenen Variablen erkannt werden, die für Eingriffsmaßnahmen besonders geeignet sind, entfaltet der 3. Teil.
Wirkungsgefüge eines Marktstandes Teil 1
Die Komplexität des heutigen Marktgeschehens ist unüberschaubar geworden. So ist der ökonomische Erfolg eines Wochenmarktstandes abhängig von einer größeren Zahl an potentiellen Erfolgsfaktoren und den – zum Teil zeitverzögert wirksamen – Beziehungen. Das Vernetzte Denken bietet Methoden und Werkzeuge, das komplexe Zusammenspiel dieser Bedingungen des ökonomischen Erfolgs des Marktstandes zu erfassen. Auf dieser Grundlage können wertvolle Anregungen für das Betreiben eines Marktstandes (als Beispiel einer wirkungsvollen Unternehmertätigkeit) entwickelt werden. Um das engmaschige Gefüge des Zusammenspiels der Erfolgsfaktoren für einen Marktstand zu erkunden, wird in moderierter Form zuerst das Grundproblem mit einer Arbeitsdefinition abgegrenzt. Die Formulierung der Ausgangssituation kommt also ohne jedwede Zielformulierung aus. Anschließend werden gemäß eigener Erfahrungen, aufgrund der Fachliteratur oder mittels verfügbarer Daten problemrelevante Einflussfaktoren gesammelt und von der Moderation auf einem einheitlichen Abstraktionsniveau formuliert. Wie die wirksamen Beziehungen definiert werden, entfaltet der 2. Teil.