Komplexität meistern (2. Teil)

Komplexität meistern (2. Teil)

Je höher die Projektanforderungen, desto einschneidender sind die negativen Auswirkungen bei Nichterreichen der Projektziele. Das systemorientierte Denken hilft, wesentliche Komplexitätsfallen im Projektmanagement zu vermeiden. Projektleiter sind oft gefangen im traditionellen linear-kausalen Wenn-Dann-Denken. Sie gehen bei der Suche nach Lösungen sehr zielstrebig vor und glauben, aus ihrer persönlichen Erfahrung den Einfluss der Umweltfaktoren beurteilen zu können. Was oft vernachlässigt wird: Regelmäßige Beobachtung der Umweltfaktoren, regelmäßiges Analysieren des Zusammenspiels dieser Faktoren und regelmäßiges Durchspielen von Szenarien. Das ist nötig, um eine Sicht aufs Ganze zu bekommen, ohne sich im Detail zu verlieren. Projektleiter haben auch oft Schwierigkeiten damit, zeitliche Verzögerung von wirkenden Impulsen in ihre Analysen mit einzubeziehen. Führen bisherige Eingriffe nicht zu deutlich messbaren Veränderungen, wird stärker eingegriffen. Durch Zeitverzögerungen schaukeln sich die Wirkungen mit der Zeit exponentiell auf und wirken destruktiv. Nötig ist eine Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten von feedforward und feedback in komplexen Systemen.

Komplexität meistern (1. Teil)

Ein größeres Projekt ist eine komplexe Herausforderung. Seine Abwicklung erfolgt selten planmäßig. Projekterfolg bedarf des Meisterns der wirksamen Komplexität. Doch Projektleiter sind eher Gesellen als Meister im Umgang mit komplexen Herausforderungen: Projektleiter meinen oft, eine Situation sei objektiv gegeben und kann klar formuliert werden. Sie verkennen, dass Beobachtung stets Dreiklang ist aus Akteur, Aktion und Resultat. Mein Blick auf mein smartphone hängt stark davon ab, ob ich meine Sonnenbrille trage, meine normale Brille oder durch ein Fernglas sehe. Mein Beobachtungsergebnis und mein Vorgehen sind untrennbar. Sollten im Projekt mehrere Stakeholder mitwirken, sind also immer die getragenen Brillen zu erkunden! Projektleiter meinen oft, das Ganze in Einzelprobleme zerlegen zu müssen und diese nacheinander isoliert voneinander zu lösen. Das Zusammenspiel der Faktoren bleibt unbekannt, Beziehungen zum Umfeld werden ignoriert. Ein Projekterfolg basiert auf der Berücksichtigung des Gefüges der wirksamen Faktoren, um wirksame Engpässe zu erkennen und zu beseitigen. Im 2. Teil werden weitere Säulen des Projekterfolgs dargelegt.

Mit Systemdenken das Unternehmen steuern?

In komplexen Systemen wirkt eine Dynamik, die von traditionellen Methoden und Instrumenten nicht gehandhabt werden kann. Komplexe Systeme verhalten sich völlig anders als seine Teile. Sie führen ein „Eigenleben“. Jeder Eingriff in ein komplexes System wirkt sich auf viele Teile im ganzen System aus, sei es durch Vor- und Rückkopplungen, durch Zeitverzögerungen und mit ungeplanten Spätfolgen. Komplexe Systeme sind nicht lenkbar, wenn man das wirksame Regelwerk nicht genügend beachtet. Genau das zeigen die jetzigen Unternehmenskrisen. Ein kompliziertes Problem zerlegt man traditionell in Teilprobleme, löst diese einzeln und fügt die Einzellösungen zu einem Ganzen zusammen. Wird dieses Vorgehen auf komplexe Probleme angewandt, bleibt das verhaltenssteuernde Zusammenspiel der Komponenten unangetastet und jede Maßnahme kann kaum zu einer tragfähigen Lösung führen. Der Fokus auf die Interessen und die Rationalität des Shareholder-Value folgt dem traditionellen Ansatz; ein robuster Entwicklungspfad des Unternehmens bedarf dem gegenüber der Berücksichtigung divergenter Interessen verschiedenster Stakeholder. Nötig ist eine Multirationalität mit zum Teil konkurrierenden Erfolgsindikatoren. Ein Systemdenken kann genau das liefern.

Unternehmenskrisen sind Folgen schlechter Unternehmensführung

Viele Unternehmenskrisen sind bewirkt von gravierenden Fehlern in der Steuerung der Unternehmen durch zunehmend komplexe Umwelten hindurch. Bislang unbekannte Effekte der Vernetzung, der Dynamik und unsicherer Entwicklungspfade beschränken die Kontrollierbarkeit von Unternehmen(seinheiten) immer mehr. Benötigt werden also Regulierungs- und Steuerungssysteme, die für den Umgang mit komplexen Situationen taugen. Die traditionellen linearen Methoden und Instrumenten des Managements sind lediglich für komplizierte Bedingungen brauchbar und versagen bei der Anwendung auf komplex-dynamische Situationen. Weiter hilft das Denken in Systemen und kreiskausalen Zusammenhängen. Komplexe Einheiten wie Unternehmen(seinheiten) bestehen im Kern wie komplizierte Einheiten auch aus vielen miteinander verknüpften Komponenten. Im Unterschied zu komplizierten Einheiten verändern komplexe Einheiten konstitutive Beziehungen zwischen den Komponenten im Zeitablauf. Hieraus ergibt sich eine Dynamik, die von traditionellen Methoden und Instrumenten nicht gehandhabt werden kann.

Projektmanagement mit System

Projektleiter überschätzen oft Ihre Fähigkeit, das projektrelevante System zu durchschauen. Sie fokussieren sich zu stark auf den Inhalt einzelner operativer Details, statt das große Ganze im Blick zu nehmen (get the big picture). Die Einbettung der einzelnen, aufeinander verweisenden Projektarbeiten in einen Kontext (get the context of the big picture), der mitunter verschiedene Akteure mit jeweils eigenen Logiken enthält, unterbleibt in erschreckend großem Ausmaß. Diese traditionellen Schwächen führen zumeist zu vorschnellen Verhaltensweisen: Statusberichte werden überschätzt, erkennbare Risiken unterschätzt, eine kontextsensitive Planung unterbliebt nahezu vollständig und erzielte Wirkungen erzeugen unerwartete Ablehnungen seitens verschiedener Stakeholder(gruppen). Nötig ist vielmehr das permanente Prüfen der bisherigen Tätigkeiten hinsichtlich des Nichteintretens erwarteter Folgen und des Eintretens unerwarteter Folgen. Und dies sowohl im content als auch im context! So gelingen frühzeitige Anpassungen an veränderte Gegebenheiten. Mit linearem Denken sind diese Herausforderungen allerdings auf keinen Fall und unter keinem Bezugspunkt möglich. Möglich wird es aber mit dem systemorientierten Denken und Handeln.

In der Flaute die Segel setzen

Nach einer Studie des IAB wirkt sich die Wirtschaftsflaute vor allem bei exportabhängigen Vollzeitjobs aus. Mit Kurzarbeit können dabei Entlassungen umgangen werden. Es ist also eine Schwachheit und noch keine Krise. Aber die Zahl der Kurzarbeiter ist im dritten Quartal 2019 auf immerhin 64000 gestiegen. Auch geleistete Überstunden gehen zurück. Zudem haben vier Millionen Menschen mehr als einen Job. Das alles sind Anzeichen einer abflauenden Konjunktur. Das macht sich in „konjunkturnahen Branchen“ bemerkbar: So ist ein deutlicher Rückgang der Nachfrage an Arbeitskräften zu verzeichnen. Zeitarbeiter werden abgebaut, zunehmend auch im Dienstleistungssektor, der bislang noch als „robust“ gilt. Doch in den konjunkturunabhängigen Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung oder Unterricht ist eine steigende Nachfrage nach Arbeitskräften zu erkennen. Es ergibt sich: Es gibt Bereiche mit einer Flaute und Bereiche mit ansteigendem Wind. Ähnlich dem Kapitän auf dem Schiff haben die politisch Verantwortlichen (Kapitän) das Gemeinwesen, für das sie Verantwortung tragen (Schiff), so zu steuern, dass sie günstige Winde nutzen und Flauten umgehen. Es gilt, die Segel konsequent und verlässlich zu setzen. Sonst kommt man nicht vorwärts.

Lebensfähigkeit von Organisationen

Das Viable System Model (VSM) zeigt die Architektur und Funktionsweise von effektiven Organisation auf. Damit von effektiver Lebensfähigkeit gesprochen werden kann, muss eine Organisation sich an seine sich stetig verändernde Umgebung anpassen können, seine Identität bewahren, Erfahrungen aufnehmen und verwerten können und lernen und sich weiterentwickeln können. Effektiv lebensfähig ist ein System also, wenn diese fünf entscheidende Funktionen in einer ganz bestimmten Architektur von Informationskreisläufen ausgeübt werden. Unterschieden werden fünf verschiedene Subsysteme oder Strukturelemente. Vereinfacht gesagt sind die verschiedenen Systeme für folgende Aufgaben zuständig: für Operationen, für Koordinationen, für Optimierungen (Operatives Corporate Management), für Entwicklungen (Strategisches Corporate Management) und für das Schaffen und Einhalten von Normen (Normatives Corporate Management). Voraussetzung für das effektive Funktionieren der fünf Subsysteme im Gesamtsystem ist ein ungehinderter, vollständiger Informationsfluss. Deshalb sind die fünf Subsysteme durch definierte Informationskreisläufe verbunden. Das VSM ist für Berater, Trainer und Führungskräfte gleichermaßen geeignet als Orientierung im eigenen Denken und Handeln.

Nachhaltige Wirksamkeit ist möglich

Um nachhaltig wirksam zu sein ist Wissen über die Komplexität der bedeutsamen Umwelt nötig. Dieses Wissen bezieht sich vor allem auf die Änderungsrichtung und –geschwindigkeit der maßgeblichen Erfolgsfaktoren. Um dieses Wissen nutzbar zu machen, sind vielfältige Kommunikationen mit den unterschiedlichsten internen und externen Ansprechpartnern zu gestalten. Nach innen leisten Kennzahlen durchaus gut Dienste. Nach außen hin ist auf die wiederkehrenden Themenstellungen zu achten. Erkannte Veränderungen, die für das Unternehmen relevant sind, können so zu einer geeigneten Zukunftsstrategie verbunden werden. Auch damit werden Normen geschaffen und eine Unternehmensidentität geformt. Es ergibt sich: Die nachhaltige Wirksamkeit eines Unternehmens hängt maßgeblich an der Fähigkeit, unterschiedliche Kommunikationen zu gestalten, behandelte Themenstellungen zu filtern und überzeugende Orientierungen für zukünftiges Handeln zu erarbeiten. Am besten gelingt dies mit einer bestimmten Konfiguration der Organisationseinheiten. Dazu gibt es das Viable System Model. Davon werde ich im kommenden zweiten Teil berichten.

Zukunftsfähig?

Die Zukunftsfähigkeit ist eine Herausforderung für jedes Unternehmen. Die zunehmende Komplexität der Umwelten, die permanenten Veränderungen und die steigende Veränderungsgeschwindigkeit sorgen für immer weniger Durchsicht. Um Unternehmen zukunftsfähig zu machen, bringen einseitige Optimierungen von Prozessen oder Funktionen keinen dauerhaften Erfolg. Jedes Teiloptimum hat sich in das Gefüge des Gesamtgleichgewichts des Unternehmens einzufügen. Heute bleibt unbekannt, welche Konfiguration sich morgen als zukunftsfähig herausstellen wird. Nötig ist also ein andauernder Such- und Beurteilungsprozess nach bzw. von erfolgsrelevanten Ereignissen. Dafür nötige interne Kommunikationen bedürfen Verhaltensroutinen der Akteure, die genügend schnell, flexibel, stabil und nachhaltig funktionstüchtig sind. Dann ist das auch das Unternehmen zukunftsfähig und wird in der sich unvorhersehbar verändernden Umwelt bestehen.

Unsicherheit verhindert Handlungsfähigkeit

Sicher haben Sie es auch schon erlebt: Es steht eine Prüfung an und es scheint unmöglich, sie zu bestehen. Was tun? Nehmen Sie sich Papier und Stift und erstellen Sie ein Wirkungsgefüge. Es wird Ihnen wirksame Zusammenhänge aufzeigen und den Engpass erkennen lassen. In diesem Fall ist klar, dass „Unterlagen“, Dokumente über „alte Prüfungen“ und „Lernen“ einen Einfluss auf die eigene Handlungsfähigkeit haben, mit der die Prüfung gut zu bestehen ist. Auch das Nutzen einer „Lerngruppe“ ist hilfreich. Schon dieses kleine Gefüge lässt bestimmte erfolgswirksame Beziehungen plausibel erscheinen. Auffällig ist, dass die „Zeiteinteilung“ auf alle Einflussfaktoren aktiv einwirkt. Ein Blick auf das Gefüge macht im wahrsten Sinne des Wortes einsichtig: die Zeiteinteilung ist die entscheidende Einflussgröße für das Bestehen der Prüfung! Das Arbeiten mit Wirkungsgefüge macht problemwirksame Zusammenhänge einsichtig. Erstellen Sie eigene Gefüge und Sie werden es erleben: Die Einsicht in die Zusammenhänge erhöhen die eigene Handlungsfähigkeit. Die Erfolgswahrscheinlichkeit steigt.